Einer der Höpunkte des dreitägigen Gipfels: Julia Nawalnaja (Mitte) nahm den „Freiheitspreis der Medien“ persönlich entgegen (Foto: WEIMER MEDIA GROUP).

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Der Europa-Gipfel

Wie sieht die Agenda für ein starkes Deutschland in einem starken Europa aus? Darüber debattierten die Top-Entscheider aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien beim Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee.
 
Eine schwächelnde deutsche Wirtschaft, Streit innerhalb der Bundesregierung, der Krieg in der Ukraine und die militärischen Konflikte rund um Israel: Inmitten vielfältiger Krisenlagen fand in diesem Jahr der Ludwig-Erhard-Gipfel (LEG) am Tegernsee statt. Die Wirtschafts- und Politikkonferenz  versammelte die Entscheider der Republik und darüber hinaus zum Diskurs auf Gut Kaltenbrunn in Gmund am Tegernsee.
 
Debatten zur Epochenwende

 
„Stehen wir an einer Epochenwende?“, fragte Christiane Goetz-Weimer, Verlegerin der gastgebenden WEIMER MEDIA GROUP. „Die viel zitierte Zeitenwende trägt blutige Wunden, die friedliche Zeit einer ganzen Generation ist zu Ende gegangen.“ Daher befinde man sich womöglich an einer Epochenschwelle. „Wenn man davon spricht, muss man den gefährlichen und katastrophalen Dingen ins Auge blicken“, ergänzte sie.
 
Gerade einmal eine Flugstunde entfernt tobe der Krieg in der Ukraine. „Es ist der größte Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg. Es sterben auch viele, die es wagen zu kritisieren“, sagte Goetz-Weimer. Das prominenteste Opfer heißt Alexej Nawalny. Beim Gipfel wurde Nawalny daher posthum mit seiner Frau Julia Nawalnaja für ihren Kampf gegen die Diktatur mit dem „Freiheitspreis der Medien“ ausgezeichnet. Neben dem Ukraine-Krieg nannte Goetz-Weimer Israel als zweiten Großkonflikt dieser Tage. Damit nicht genug: „Neben beängstigenden Nachrichten gibt es auch solche, die es werden können.“ Die Verlegerin nannte den Wahlkampf in den USA, wo Trump beste Chancen auf eine Wiederwahl hat. Doch die Europäer müssten sich auch an die eigene Nase fassen: „Die Rechtspopulisten legen zu, was die politische Landkarte unserer Kontinents verändert.“
 
Auch innerhalb Deutschlands ist die Lage prekär. „Wir haben die schwächste Bundesregierung in Deutschland“, findet Goetz-Weimer. Laut ARD-Deutschlandtrend seien nur noch 20 Prozent von der Arbeit von Kanzler Olaf Scholz überzeugt. Hinzu kommt, dass die jüngste IWF-Prognose Deutschland nur ein Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent bescheinigte, „also gar keines, während andere Länder gerade wachsen“. Die Investitionsbedingungen seien schlecht in Deutschland, deshalb rutschen wir in Standort-Rankings ab.
 
Es gehört aber auch zum Markenzeichen des LEG, die positiven Entwicklungen in den Blick zu nehmen. Die Pandemie ist vorbei, die Inflation, die im letzten Jahr auf dem höchstem Stand seit 1950 lag, ist mit aktuell zwei Prozent in die Normalität der Geldwertstabilität zurückgekehrt, der Leitindex DAX ist im vergangenen halben Jahr um 25 Prozent gestiegen, zudem biete die Künstliche Intelligenz (KI) neue wirtschaftliche Chancen. Und: „Europa rückt zusammen, so bitter der Ukraine-Krieg auch ist. Die NATO ist größer und stärker geworden“, sagte die Verlegerin.
 
Neben der Münchner Sicherheitskonferenz ist der Gipfel die zweite große Plattform des Dialogs in der Bundesrepublik. „Lassen sie uns hier die wertvollsten Geschenke der Gesellschaft machen: Innovation und Inspiration.“ Der LEG wuchs in all den Jahren von einer kleinen Event zu einer dreitägigen Großveranstaltung. „Heute gehen vom Tegernsee aus wichtige Impulse in die Bundesrepublik“, sagt Goetz-Weimer. Auf Einladung der gastgebenden WEIMER MEDIA GROUP und des Co-Veranstalters des ersten Konferenztages Die Bayerische Wirtschaft (vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. & bayme vbm) kamen über 1100 Gäste und mehr als 100 Redner. Das „deutsche Davos“ (ARD) feierte in diesem Jahr seine zehnte Auflage, zum Jubiläum gab es einen zusätzlichen dritten Kongresstag. Das diesjährige Get-together im Geiste Ludwig Erhards verstand sich als Europa-Gipfel. Unter dem Motto „Agenda für ein starkes Deutschland in einem starken Europa“ wurden Lösungsansätze für die großen Krisen gesucht. Die gesamte Konferenz wurde live auf www.ntv.de und www.antenne.de übertragen.
 
Politiker sprechen Klartext

 
Der Gipfel fand ohne die Teilnahme von AfD, Linken und Bündnis Sahra Wagenknecht statt. Die politischen Ränder wurden nicht eingeladen, da sich die Konferenz als Plattform der breiten demokratischen Mitte versteht. Extremisten, Feinde der Demokratie und Gegner der Europäischen Union erhalten dort keine Bühne. Zahlreiche Politiker aus dem In- und Ausland saßen auf dem Podium, um Klartext zu sprechen, darunter Markus Söder (CSU), Bayerischer Ministerpräsident und Schirmherr des Gipfels, der stellvertretende Bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD), Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), Vorsitzender des Europa-Ausschusses im Deutschen Bundestag, die Bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU), der Bayerische Digitalminister Fabian Mehring (CSU) sowie der CSU-Ehrenvorsitzende und ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel. Einblicke aus europäischer Sicht lieferten Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im EU-Parlament, der österreichische Finanzminister Magnus Brunner und Greg Hands, Minister für Handelspolitik und Minister für London aus dem Vereinten Königreich.
 
Parteichefs in der TV-Arena
 
Die Chefs von CDU, SPD, Grünen und FDP trafen bei der großen TV-Arena der Parteichefs aufeinander, die live im Fernsehen übertragen wurde. Der Debatte stellten sich Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende, Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, Wolfgang Kubicki, Stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender, und Ricard Lang, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. Die vier Politiker aus Regierung und Opposition sahen sich in ihrer Runde mit den Themen der Konferenz konfrontiert: Energiewende, Bürokratie und Wirtschaftswachstum. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland nannte Merz „sehr angespannt“, Lang „sehr herausfordernd“, Kubicki „herausfordernd schlecht“ und Esken „sorgenvoll“. Bei der Frage, wie sich diese Lage verbessern ließe, gingen die Meinungen aber auseinander – sowohl zwischen Opposition und Regierung als auch innerhalb der Koalition.
 
Impulse und Panels

 
Wie sich Deutschland und Europa inmitten dieser Krisen positionieren sollen, verdeutlichten Impulsreden und Panels zu den Themen Klimawandel, Energie, Finanzen, Gesundheit, Bauen und Wohnen, Mobilität, Arbeitswelt, KI und Quantencomputing, Digitalisierung und Weltwirtschaft. Als Redner wirkten beispielsweise Angelique Renkhoff-Mücke, Vizepräsidentin von vbw und vbm, Audi-Vorstandsvorsitzender Gernot Döllner, Heidrun Irschik-Hadjieff, Vorsitzende der Geschäftsführung von Sanofi Deutschland, Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, und Tobias Vogel, CEO von UBS Europe.
 
Impulse aus Militär, Sport und Raumfahrt lieferten Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart, Kommandeur des Multinationalen Korps Nordost der NATO, Peter Tauber, ehemaliger Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium und ehemaliger CDU-Generalsekretär, die beiden ehemaligen Profi-Sportler Felix Neureuther (Alpin-Skifahrer) und Miriam Neureuther (Biathletin und Skilangläuferin) sowie ESA-Astronaut Matthias Maurer.
 
Wie Deutschland tickt
 
Was die Deutschen aktuell umtreibt, benannte Ulrich Reinhardt, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen. Er präsentierte den Gästen die Ergebnisse der Studie „Wie Deutschland tickt“, die auch im gleichnamigen Buch stehen, das auf dem Gipfel der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Demnach stehen die meisten Befragten einer Veränderung grundsätzlich einmal offen gegenüber. Bestimmte konkrete Veränderungen aber sehen sie dann kritisch. 92 Prozent der Befragten wünschen sich eine offene und klare Kommunikation. „Die Bürger wünschen sich mehr Ehrlichkeit von den Entscheidungsträgern in Deutschland“, sagt Reinhardt. 91 Prozent sehen eine Kluft zwischen Arm und Reich. Neue Jobs durch neue Technologien sehen 66 Prozent der Befragten. Frauenpower auf dem Arbeitsmarkt erkennen 72 Prozent, es gebe jedoch ein Nachholbedarf bei Frauen in Führungskräften. Die Vier-Tage-Woche halten insbesondere die bis 35-Jährigen für gut, anders als die Über-55-Jährigen. „Für die jüngere Generation ist Arbeit nicht nur Geldverdienen, sondern auch Selbstverwirklichung, zudem lebe diese im Hier und Jetzt“, erklärt Reinhardt.
 
Große Bühne für Start-ups
 
Unternehmer, die den Sprung in die Öffentlichkeit noch nicht geschafft haben, denen er aber womöglich bald bevorsteht, erhielten beim LfA Elevator-Pitch um den FUTURE AWARD eine Plattform. Im Vorfeld des Gipfels hatte die LfA Förderbank Bayern fünf interessante Jung-Unternehmen ausgewählt: Delicious Data, Vitas, Sewts, Filics und Easy2Parts. Auf der Bühne erhielten sie vier Minuten Zeit, um bei einem Pitch ihre Idee vorzustellen. Der Megatrend KI hat auch den LfA Elevator-Pitch erfasst: Gleich vier der fünf Start-ups haben sich für ihr spezifisches Problem eine Lösung mit einer KI einfallen lassen.
 
Letztlich überzeugte Delicious Data. Das Start-up aus München hat eine KI für die Gastronomie entwickelt, die helfen soll, die Einkäufe so zu optimieren, dass niemand hungrig, aber auch möglichst wenig Lebensmittel-Müll übrig bleibt. Zielgruppen sind etwa Mensen und Kantinen, aber auch Bäckereien und der Einzelhandel, also zum Beispiel Backshops. Die Software analysiert dabei, was tatsächlich verkauft wird, und plant entsprechend vorausschauend die Einkäufe. Nach eigenen Angaben des Start-ups lassen sich damit 30 Prozent der Lebensmittelabfälle vermeiden. Für diese Idee erhielt das Unternehmen den Future Award, der mit Medialeistungen bei der WEIMER MEDIA GROUP in Höhe von 100.000 Euro dotiert ist.
 
„Freiheitspreis der Medien“ für Julia Nawalnaja
 
Ein Höhepunkt des Gipfels bildet traditionell die Verleihung des „Freiheitspreises der Medien“. Ein Gänsehautmoment und ein Statement gegen Putin wurde die Auszeichnung der russischen Widerstandskämpfer Alexej Nawalny posthum und Julia Nawalnaja. Die Witwe des ermordeten Putin-Kritikers Nawalny und Vorsitzende des Beirats der Anti-Korruptions-Stiftung nahm den Preis persönlich und sichtlich bewegt am Tegernsee entgegen.
 
„Sie sind Widerstandshelden unserer Zeit, die ihr Leben opfern, für eine bessere Welt“, sagte Verlegerin Christiane Goetz-Weimer. Im August 2020 wurde Alexej Nawalny Opfer eines Giftanschlags, ehe das Ehepaar nach Deutschland flüchtete und schließlich nach Moskau zurückkehrte, um weiter für die Befreiung Russlands einzutreten. Es folgten Demütigung, Verhaftung und der Tod Nawalnys. Die bedrückende Situation in Russland sowie populistische Bestrebungen innerhalb Europas gegen die Freiheit veranschaulichte Ilse Aigner (CSU), Präsidentin des Bayerischen Landtages, in ihrer Rede.
 
In der Jury-Begründung des Freiheitspreises heißt es: „Nawalnaja ist die tapfere Leitfigur der Widerstandsbewegung in Russland. Nach dem Tod ihres Mannes Alexej, der am 16. Februar 2024 in einem sibirischen Straflager in den Händen von Wladimir Putins Folterschergen starb, ist sie die Anführerin des demokratischen Aufbruchs in Russland. Seit vielen Jahren engagierten sich die Nawalnys als die prominentesten Oppositionsaktivisten in Putins Despotie. In einer Rede vor dem Europaparlament warnte Nawalnaja die Welt vor Putin, der ,kein Politiker, sondern ein blutrünstiges Monster‘ sei. Das Ehepaar Nawalny wird für den tapferen und gewaltfreien Kampf gegen eine brutale Diktatur in Russland ausgezeichnet. Sie sind die Gesichter eines besseren, neuen, freien und demokratischen Russlands.“
 
Die Leistung Nawalnajas und ihres verstorbenen Mannes würdigte Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und Oppositionsvorsitzender im Deutschen Bundestag, in seiner Laudatio. „Heute ist Julia Nawalnaja das Gesicht eines anderen Russlands“, sagte Merz. Sie habe keine Angst, nach Russland zurückzukehren, auch wenn sie nicht weiß, was sie dort erwartet. „Diese Angstfreiheit beeindruckt uns bis heute.“ Nawalnaja habe erklärt, den Kampf ihres Mannes fortzusetzen, Putin müsse zur Verantwortung gezogen werden. Doch sie spreche nicht nur vom Bösen, sondern zeichne auch den Traum eines schönen Russlands der Zukunft. „Frau Nawalnaja, Sie sind die Heldin unserer Zeit“, sagte Merz. „Wir sind Ihnen undenklich dankbar für Ihren Einsatz.“
 
Als Nawalnaja den Preis auf der Bühne entgegennahm, sprach sie gefasst. „Es ist eine große Ehre für mich, aber auch eine große Verantwortung.“ Sie müsse die gemeinsame Arbeit fortführen, was eine große Herausforderung sei. Ihr Mann habe aus einer kleinen Nichtregierungsorganisation einen großen Medienbetrieb aufgebaut. „Unsere Organisation arbeitet hart, auch wenn der Kreml ständig versucht, uns zu stoppen“, erklärte die Russin. „Wir hoffen, dass das Gift der Propaganda geschwächt wird. Wir müssen unter allen Umständen die Wahrheit weiter verbreiten.“ Nawalnaja sieht dafür auch in Russland Potenzial: Zwei Drittel der Russen möchten sich ihr zufolge Europa annähern. Auch Ludwig Erhard, der Namensgeber des Gipfels, habe gezeigt: „Nirgendwo ist Wandel unmöglich“, sagte Nawalnaja.
 
Festlicher Rahmen mit Staatsempfang und Gipfel-Nacht
 
Neben der festlichen Preisverleihung besaßen die beiden Gipfeltage auch einen feierlichen Rahmen abseits des Bühnenprogramms – zu Beginn und am Ende. Mit einem Empfang der Bayerischen Staatsregierung endete der erste Konferenztag. Den traditionellen und beliebten Konferenz-Abschluss bildete indes die Gipfel-Nacht im Hotel DAS TEGERNSEE. Beim Networking führten die Gäste auch das eine oder andere Thema des intensiven, dreitägigen Europa-Gipfels fort.
 
Weitere Bilder des Gipfels gibt es unter www.ludwig-erhard-gipfel.de

Vera König

20.04.2024 | 12:20

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