Echte Immobilienbewertung geht über einen Klick hinaus – Fachwissen ist entscheidend (Foto: Freepik, topntp26)

Autorin Katharina Heid (Foto: Heid)



Karrierealle Jobs


Worauf es bei der Wertermittlung von Gewerbeimmobilien ankommt

Gastbeitrag

Den Wert einer Gewerbeimmobilie im Internet ermitteln: Das klingt verlockend, bringt aber einige Tücken mit sich. Gerade bei Immobilien wie Bürogebäuden, Logistikzentren und Hotels ist die Methode ungeeignet.

Manche Internetportale versprechen die Wertermittlung von Immobilien auf einen Klick. Diese Methode ist jedoch schon bei Wohnimmobilien nicht immer zuverlässig und erweist sich bei der Bewertung von Gewerbeimmobilien wie Bürogebäuden, Logistikzentren oder Hotels als schlicht ungeeignet. Die Wertermittlung von gewerblichen Immobilien ist ein komplexes Unterfangen, das ohne die Hilfe von Profis zum Scheitern verurteilt ist, warnt Gastautorin und Immobilienkennerin Katharina Heid.  

Ob Erbschaft, Scheidung oder eine notwendige Wertbilanzierung zur Abgabe der Jahreszahlen ans Finanzamt oder als Grundlage für einen Kredit der Hausbank: Anlässe, den Wert einer Immobilie auf den Euro genau zu berechnen, gibt es zahlreich. Angesichts der leichten Versprechen, die manches Onlineportal zur Wertermittlung abgibt, ist mancher geneigt, das zugleich auf die leichte Schulter zu nehmen. Mit wenigen Klicks zum Wert einer Immobilie? Wenn es nur so einfach wäre. Bereits bei privaten Immobilien, dem klassischen Ein- oder Zweifamilienhaus, zeigen sich die Tücken einer Bewertung im Detail. Gerade die energetische Ausstattung eines Hauses spielt eine immer bedeutsamere Rolle für dessen Wert. Doch der ist gerade nicht mit wenigen Klicks ermittelbar, sondern muss vor Ort von Profis in Augenschein genommen werden.

„Die“ gewerbliche Immobilie gibt es nicht am Markt

Umso mehr gilt das für gewerbliche Immobilien. Wobei es „die“ gewerbliche Immobilie gar nicht gibt. Zu unterschiedlich sind die Funktionen, zu unterschiedlich die Facetten am Markt – von der klassischen Büroimmobilie über die Handelsfläche bis hin zu „Exoten“ wie Hotels, Kletterparks oder Wertstoffhöfen.
„Wieviel ist meine Gewerbeimmobilie wert?“ Diese Frage treibt derzeit viele Eigentümer gerade von Handelsflächen um. Dem deutschen Handel, gerade in Randlagen, geht es nicht gut. Die schwache Konjunktur und der Trend zum E-Commerce lassen die Käufer ausbleiben – und damit auch die Mieteinnahmen der Vermieter zurückgehen. Die Antwort auf die gestellte Frage ist in der Praxis aber sehr komplex, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab und lässt sich eben nicht mit einem kostenlosen Ertragswertrechner aus dem Internet beantworten.

Jeder Vermieter und jede Vermieterin will mit einer Gewerbeimmobilie Gewinn machen. Folgerichtig ermitteln Gutachter meist den Ertragswert. Zur Ermittlung des Ertragswerts einer gewerblichen Immobilie gehen sie dabei in mehreren Schritten vor:
    1.    Zunächst berechnen die Gutachter den Reinertrag des Grundstücks. Dafür wird der Rohertrag um die Kosten für die Bewirtschaftung minimiert.
    2.    Danach wird der Bodenwert mit dem Liegenschaftszins multipliziert. Auf diese Weise wird die Bodenwertverzinsung ermittelt.
    3.    Anschließend wird der Gebäude-Reinertrag der Gewerbeimmobilie berechnet, indem die Bodenwertverzinsung vom Reinertrag des Grundstücks abgezogen wird.
    4.    Dann wird der Gebäude-Ertragswert berechnet. Dazu wird der Gebäude-Reinertrag mit dem „Vervielfältiger“ multipliziert – dieser ergibt sich aus Restnutzungsdauer und Liegenschaftszinssatz.
    5.    Für die Ermittlung des Ertragswerts werden anschließend Gebäude-Ertragswert und Grundstückswert zusammengezählt.

Den mit Abstand größten Einfluss auf den Wert einer gewerblichen Immobilie spielt die sogenannte Drittverwendungsfähigkeit. Sie gibt Auskunft darüber, ob die betreffende Immobilie ohne großen Aufwand, ohne große Umbauten und damit ohne große Kosten von potenziellen Nachmietern genutzt werden kann. Die Multifunktionalität eines Gebäudes ist wichtig. Ein Haus, das als Hotel wie als Bürohaus genutzt werden kann, ist interessanter und damit wertvoller als ein reines Hotel oder ein reines Bürohaus. Spezialitäten werden vom Markt eher bestraft denn belohnt. Je spezieller die Immobilie auf den aktuellen Nutzer zugeschnitten ist, desto geringer ist die Drittverwendungsfähigkeit. Die höchste Drittverwendungsfähigkeit im Gewerbebereich haben in der Regel Büroimmobilien, die sich vergleichsweise einfach weitervermieten lassen.

Weitere wertbestimmende oder auch wertmindernde Faktoren von Bedeutung sind die Lage und die Beschaffenheit einer gewerblichen Immobilie. Hinzu kommen Faktoren wie die Länge der Mietverträge – je länger, desto besser –, möglicherer Leerstand und die Restnutzungsdauer des Gebäudes.

Die Autorin

Katharina Heid ist Geschäftsführer der deutschlandweit tätigen Heid Immobilienbewertung & Immobiliengutachter sowie Sachverständigen GmbH mit Hauptsitz im baden-württembergischen Walldorf.

Katharina Heid

14.11.2023 | 11:31

Artikel teilen: