Der Bauer und sein Kellermeister: Axel Bauer (l.) und Kellermeister Torsten Klein prüfen die Lage der Reben (Foto: Axel Bauer).



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Klimawandel trifft Weinberg

Wetterkapriolen am Weinberg: Bei Winzer Axel Bauer aus Baden-Württemberg und seinen Kollegen ist der Klimawandel angekommen. Deswegen experimentiert er mit besonderen Sorten und Lagen.

Dieser Tag hat für Axel Bauer früh begonnen, wie bereits seit Wochen. Es ist Weinlese. Frühmorgens fährt er heraus zu seinen Weinbergen in der Ortenau, um die reifen Trauben zu schneiden. Rebstock für Rebstock arbeiten er und seine Helfer sich vorwiegend per Hand auf den steilen Terrassen voran. Sie ernten dichte, spezielle Trauben. Daraus kreiert Bauer mit seinem Kellermeister Torsten Klein naturbelassene Weine, für die Region untypische Sorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot oder Syrah, mit klarem, feinem Geschmack und schöner Länge. Der 59-Jährige aus Bühlertal (Baden-Württemberg) hat das Familien-Weingut vor einigen Jahren als Quereinsteiger aus der Medienbranche übernommen. „Die Arbeit erdet mich“, sagt Bauer. Der Jahrgang 2021 hat es ihm und etlichen seiner Winzer-Kollegen aber nicht leicht gemacht.

Ein nass-kühler Frühling, Frost, ein verregneter Sommer und Schädlinge: Das Weinjahr 2021 lieferte mit seinen Wetterkapriolen keine guten Voraussetzungen. Zuerst verzögerte das nasse und kalte Frühjahr den Austrieb der Reben. Im April kamen Spätfröste, weshalb bei Bauer rund 40 Prozent der Rebfläche erfroren. Auch wenn diese Rebstöcke in diesem Jahr keine Ernte mehr liefern, müssen sie weiter aufwendig gepflegt werden. Gerade in feuchten Jahren wie diesem kämpfen die Winzer verstärkt gegen Schädlinge wie die Kirschessigfliege. „Wegen des Klimawandels ist das Jahr nicht mehr kalkulierbar“, sagt Bauer. In Frankreich zum Beispiel beklagen manche Winzer witterungsbedingt 80 Prozent Ernteausfälle. In solch schwierigen Jahren gibt es weniger Wein, die Produktionskosten bleiben aber hoch, was den Wein letztlich verteuert. Bauer rechnet daher mit einer Kostensteigerung von 15 Prozent. „Die Weinlese findet in diesem Jahr bei uns vier Wochen später statt.“ Im Vorjahr startete der Winzer im August, diesmal erst im September.

Dabei war es in den vergangenen Jahren meist genau andersherum: Tendenziell verlagert sich die Weinlese nach vorne. „Infolge des Klimawandels treiben die Rebstöcke sehr früh aus“, weiß Bauer. Auch die Sommermonate fallen heißer und trockener aus als früher. Die Trockenheit ist problematisch: Wenn man die Reben nicht genug bewässert, stellen sie ihre Arbeit ein. „Jetzt ist ein Wassermanagement nötig, das war früher nicht so.“ In der Gegend, in der Bauer seinen Wein produziert, wird bereits seit den Römern Wein angebaut. Immerhin zählt die Ortenau am Oberrhein zu den wärmsten Regionen Deutschlands – mit 1.700 Sonnenstunden jährlich. Das nutzt der 59-Jährige, indem er an den heißesten Plätzen eigentlich in Frankreich und Spanien heimische Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah, Tempranillo und Malbec bewirtschaftet. Zudem bevorzugt er alte Rebstöcke. Und er stellt sich Herausforderungen: Die Böden der Weinberge sind durchweg karg und steinig, hinzu kommt größtenteils steiles Gelände mit Steigungen von 45 bis 65 Grad, wo nur Terrassenweinbau möglich ist.

Den Familienbetrieb hat Bauer im Jahr 2015 vom Vater übernommen, obwohl er vorher im Bereich Werbung und Druckproduktion arbeitete und eine eigene Druckerei aufgebaut hatte. Auch heute noch ist er neben dem Job im eigenen Weingut zusätzlich weiter in einer Produktionsagentur tätig. In Hochzeiten wie jetzt bei der Weinlese sind bis zu 25 Personen im Weingut beschäftigt. „Rosé und Basisweine wie Sauvignon Blanc kommen im Mai oder Juni in den Handel, die mittlere, gehobene Linie reift ein Jahr im Fass, und die Top-Lese braucht vier bis fünf Jahre“, erklärt der Winzer.

In der Verbrauchergunst weit oben stehen derzeit leichte Weine. „Die Zielgruppe für Wein wird jünger, mit dem Wunsch nach nicht so schweren Weinen, gerne auch alkoholreduziert“, erklärt der Winzer. Verstärkt wird von den Kunden auch nach Bio-Wein gefragt, neben beliebten Sorten von Rosé und Weißwein. Deutschland gilt als mittelgroßes Wein-Erzeugerland, an der Spitze rangieren Italien, Frankreich und Spanien. Beim Riesling aber ist die Bundesrepublik weltweit die Nummer eins. „Die Vermarktung in Deutschland ist das Defizit, nicht die Qualität“, findet Bauer. Denn der Kunde gebe für eine Flasche Wein durchschnittlich nur 2,86 Euro aus. „Die Spar-Mentalität ist nach wie vor sehr verbreitet.“ Er arbeitet daher Tag für Tag daran, dem mit wertvollem Wein etwas entgegenzusetzen. Als Kämpfer am Weinberg. 

Vera König

11.10.2021 | 09:17

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