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Vom Fluch und Segen der wiederauferstandenen Zinsen

Der nächste Zinsschritt der EZB entzweit die Runde zum Privatkundengeschäft auf dem Podium beim Finance Summit: Die einen klagen leise, die anderen loben laut.

Wenn sich Broker, Vermögensverwalter, Banker und Börsianer auf dem Finance Summit der Gruppe Börse Stuttgart zum Austausch über Private- und Retail-Banking treffen und zwei Stunden zuvor die Europäische Zentralbank die Zinsen zum elften Mal in Folge angehoben hat, ist klar, was das Thema ist: Fluch oder Segen einer solchen Entscheidung.

Frank Niehage zum Beispiel, CEO des Onlinebrokers FlatexDegiro, hatte Mühe, den Zinsentscheid aus vollem Herzen zu loben. Denn je mehr Zinsen Anleger ziemlich mühelos auf ihr Tagesgeld erhalten, desto uninteressanter werden andere Anlageformen. Aktien zum Beispiel, deren Handel FlatexDegiro anbietet. Niehage betont deswegen, dass auch ein Zinsniveau von vier Prozent angesichts einer deutlich höheren Inflation noch immer einen Geldverlust für Sparer bedeutet. „Die Deutschen sparen sich arm“, meint er und hält das auch für ein Problem, das mit unzureichendem Wissen in Finanzdingen zusammenhängt. Das Beste, was er der Entscheidung der EZB noch abringen kann: Es könnte der letzte Zinsschritt nach oben gewesen sein – bis auf weiteres.

Bincy Kochalumoottil, Chief Growth Officer bei der Gruppe Börse Stuttgart, gibt sich entspannter: „Es gab schon einmal eine Zeit mit Zinsen“, sagt sie. Natürlich sinke das Handelsvolumen bei Aktien oder Fonds tendenziell, weil Anleger mehr Geld ins Zinssparen steckten. Aber es gebe ja auch die andere Seite: Anleihen seien die klaren Gewinner der derzeitigen Situation an den Märkten. Die Zahlen der Börse Stuttgart sprechen hier Bände: Das Handelsvolumen bei Bonds liegt 2023 bisher rund 142 Prozent über dem Wert des Vorjahreszeitraums.

Eindeutig Mitglied der Segensfraktion ist Frank Freund, Finanzchef bei der Raisin-Bank, was nicht verwundert: Die Raisin-Bank bietet unter ihrer Marke „Weltsparen“ die Möglichkeit an, Geld bei europäischen Banken zu einem in der Regel höheren Zinssatz als in Deutschland anzulegen. Je höher der Zins, desto besser laufen Freunds Geschäfte. Alena Kretzberg schließlich, Vorständin bei VW Financial Service, will attraktive Finanzierungen für Kunden anbieten. Das wird bei steigenden Zinsen schwieriger, aber Kretzberg hat einen Trumpf im Ärmel. Die Bankerin, die lange für die Commerzbank tätig war, sieht einen entscheidenden Vorteil ihres jetzigen Arbeitgebers: Er verkauft am Ende Autos, auf seiner App können sich Kunden ihren nächsten Wagen nicht nur finanzieren, sondern auch konfigurieren, was den meisten deutlich mehr Spaß macht. „Banken brauchen auch etwas, um Kunden zu begeistern“, sagt Kretzberg.

Doch die Konkurrenz schläft nicht. „Da gibt es Services, die man gerne selbst entwickelt hätte“, sagt sie und nennt den Zahlungsdienstleister Paypal. Damit war das Stichwort für die Abschlussrunde auf dem Panel gefallen. Es lautete „Veränderung“, verbunden mit der Frage, wie Banken sie vorantreiben können. Kochalumoottil sagt, es komme auf die Mitarbeiter an. Für Veränderung brauche es eine „Can-Do-Mentalität“. Niehage verweist noch einmal auf die Zinsentscheidung und sagt, der Markt erzwinge Veränderung. Kretzberg plädiert für mehr Geschwindigkeit und Freund stellt ganz entspannt fest: Auch bei klassischen Produkten gebe es Wachstumschancen.

BAS

17.09.2023 | 18:53

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